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Der Fall Banksy – Mangel oder kein Mangel?

Mangel oder kein Mangel? 

Überlegungen zur Frage des Sachmangels in der Kunst am Beispiel von Banksy´s „Girl with balloon“

Am 5. Oktober 2018 verstigerte das Auktionshaus Sotheby´s in London das Werk „Girl with balloon“ des britischen Street-Art Künstlers Banksy. Abgebildet ist ein seitlich stehendes Mädchen, strebend nach einem vom Wind fortgetragenen Luftballon in Herzform. 

Erstmals wurde dieses Motiv 2002 als Graffiti in London gesichtet.

Es handelt sich bei dem versteigerten Kunstwerk, nach Angaben des Auktionshauses, um eine Arbeit aus Acryl und Spraydose auf Leinwandkarton. Zum Abschluss der Auktion an diesem Tag hob eine anonyme Bieterin für 1.042,00 Million britische Pfund die Hand.

Keine weiteren Gebote für das goldgerahmte Kunstwerk folgten.

Der Hammer fiel. Absolut unerwartet setzte sich ein in den Rahmen eingebauter versteckter Schredder in Bewegung und fügte dem Kunstwerk bis zur Hälfte grobe Schredderstreifen zu. 

Ein vermutlich gelungener Streich eines subversiven Künstlers! Juristisch betrachtet stellt sich dieser einprägsame Fall interessant dar, um mögliche Ansprüche eines Auktionsbieters in solch einem Fall zu untersuchen, wenn das deutsche Recht Anwendung fände. 

Spannend! Zumindest bei uns Juristen, sofern wir die Frage nach dem Sachmangel bei sich selbst zerstörender Kunst betrachten. 

Grundsätzlich gilt, dass der Käufer mangels Vertretenmüssens keine Ansprüche gegen das Auktionshaus Sotheby´s haben dürfte, sofern dieses von dem zerstörenden Schredder keine Kenntnis hatte. Resultierend käme ein Anspruch gegen den Künstler selbst in Betracht. 

Jedoch nur, sofern, wenn der Kaufvertrag auch mit dem Künstler geschlossen wird. Grundsätzlich geschieht dies lediglich bei Galeriekäufen. Konkret handelt es sich bei Auktionen um Sekundärmärkte. Hier weist ein Großteil der verkauften Werke einen Voreigentümer auf, welcher  auch keine Kenntnis haben dürfte.

Der folgende Beitrag beinhaltet die Frage des Sachmangels nach § 434 BGB eines solchen geschredderten Kunstwerkes, welche eine Voraussetzung für alle Ansprüche aus dem Kaufrecht darstellt.

Nach der allgemeinen Definition liegt ein Mangel vor, wenn eine negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs besteht. Da der Schredder unmittelbar nach dem Zuschlag ausgelöst worden ist, hat noch keine Übergabe stattgefunden, sodass hier ein eventueller Sachmangel auch bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hätte.  

Zur Beschaffenheit zählen alle wertbildenden Faktoren. Fraglich ist hier zunächst, welche Beschaffenheit überhaupt vereinbart worden ist. Meist werden Beschaffenheitsvereinbarungen auf dem Kunstmarkt derart getroffen, dass das Werk so wie gesehen verkauft wird. Wäre dann ein ungeschreddertes Werk vereinbart oder doch vielmehr das Werk mit all seinen -auch unbekannten- Eigenschaften? 

Zu diesem Problempunkt gibt es – soweit mir bekannt – keine eindeutige Antwort in der juristischen Literatur. Im Zweifel ist die Beschaffenheit durch Auslegung zu ermitteln, wobei die kunstspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen sein werden. 

Doch wie kann dies bei einem Kunstwerk beurteilt werden, welches von Beginn an einen beabsichtigten Transformationsprozess erleben soll?

Die Frage, ob ein Käufer mit einer solchen Veränderung zu rechnen hat, ist nicht relevant. Da der Künstler durch die spontane Veränderung besonders den Überraschungseffekt die erzielen möchte.

Zu klären ist, ob es sich um eine bereits bei Fertigstellung des Werks geplante Veränderung handelt. Nur dann kann die Transformation oder Zerstörunga ls eine künstlerische Eigenschaft des Werkes betrachtet werden, die keine negative Abweichung bewirkt. Im anderen Fall wird es sich nicht mehr um dasselbe Werk handeln, sodass eine negative Abweichung grundsätzlich möglich erscheint. 

Auch die Unterscheidung zwischen künstlerischem Handeln und der bloßen Zerstörung aus anderen Motiven wird beachtet werden müssen. Denn nicht jede Zerstörung, auch wenn sie von Anfang an beabsichtigt worden ist, kann als zum Werk gehörig betrachtet werden. Eine solche Transformation muss sich vielmehr als ein künstlerischer Akt darstellen. 

Doch was spricht im Fall des Werkes von Banksy für oder gegen einen Sachmangel nach den oben entwickelten Kriterien? 

Für die Ablehnung eines Sachmangels spricht, dass das Bild in dem Original-Rahmen des Künstlers gerahmt war und der Schredder bereits 2006 eingebaut worden ist. Er sollte gerade für den Fall, dass das Werk in einer Auktion versteigert wird, ausgelöst werden. 

Für die Ansicht, dass kein Sachmangel vorliegt, spricht auch die Kunstgeschichte, denn es sind bereits Fälle aus der Kunstgeschichte bekannt, die einen ähnlichen Ansatz wie Banksy verfolgten. Die sogenannte autodestruktive Kunst wurde als Teil der Aktionskunst in den 60er Jahren bereits von Künstlern wie Gustav Metzler, Jean Tinguely und Yves Klein praktiziert. So baute Tinguely im Jahr 1960 mit anderen Künstlern und Ingenieuren in dem Werk „Hommage to New York“ einen sich selbst zerstörenden Mechanismus, der während einer öffentlichen Aufführung für geladene Gäste insgesamt 27 Minuten in Betrieb war.

Gustav Metzler, der als der Begründer dieser Kunstform gilt, schrieb ab 1959 mehrere Manifeste, in denen er die Ziele seines künstlerischen Schaffens formulierte. Als eine kritische Kunstform sollte nicht die kapitalistische Verwertbarkeit im Vordergrund stehen, sondern die Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucksformen, sodass das materielle Werk in den Hintergrund rückte und der Prozess im Vordergrund stand. Metzler beschrieb diese Vorgehensweise mit den Worten: „When the disintegrative process is complete, the work is to be removed from the site and scrapped.” ( Auto-Destructive Art, 1959).

Dagegen spricht, dass der Künstler Bnksy dem Werk einen den neuen Titel „Love is in the bin“ gegeben hat. Er könnte somit selbst von einem neuen Werk, das geschaffen worden ist ausgehen. Außerdem stellte er nach den Angaben des Auktionshauses ein neues Zertifikat für das Werk aus, das bezeugen soll, dass das Werk auch von ihm stammt. Eine in den Fachkreisen diskutierte Wertsteigerung dürfte dagegen nicht für die Annahme eines neuen Werkes sprechen, da der Marktwert nicht zu den wertbildenden Faktoren gehört. Ein Sachmangel kann darauf somit nicht gestützt werden.

Jedoch dürfte die Umbenennung des Werkes nicht ausreichen um ein neues Werk anzunehmen, da auch dies Teil der künstlerischen Aussage sein dürfte. Die Umbenennung eines Werkes ist nur mit Einwilligung des Urhebers zulässig (§ 39 UrhG), sodass auch diese Vorschrift dafür spricht, dass es sich um dasselbe Werk handeln kann.

Resultierend spricht viel gegen einen Sachmangel. Es kann von einer eigenen Kunstgattung ausgegangen werden. Banksy reiht sich damit in eine bestehende und anerkannte künstlerische Ausdrucksform ein.

Diese Lesart korrespondiert mit den ursprünglichen Werken des Motivs „Girl with balloon“. Die 2002 in London erstellten Graffiti waren ebenfalls dem Verfall ausgesetzt, sodass bezeichnenderweise keines davon mehr vorhanden ist.

  

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