Porträt einer Minderjährigen – Ausgleich zwischen Kunstfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht

Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1738/16) befasste sich mit der Abwägung zwischen Kunstfreiheit auf der einen und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite. Mit Beschluss vom 28. Januar 2019 hat das Bundesverfassungsgerichts eine Grundrechtsverletzung einer freischaffenden Künstlerin festgestellt und das Verfahren an das Landgericht Halle zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht sah die Beschwerdeführerin durch das Verbot, ein von ihr angefertigtes Porträt in der Öffentlichkeit zu verbreiten und auszustellen in ihrer Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verletzt.

8 August 2021

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Ausgangsfall und Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist freischaffende Künstlerin. Im Jahr 2010 fertigte sie ein Bild einer damals Minderjährigen an, welches diese mit einem Verband um den Arm zeigt. Das Bild nannte sie „Rapunzel 4“. Mehrere Jahre später wurde das Bild in einer Ausstellung mit dem Titel „Märchenbilder“ ausgestellt. Zu der Veranstaltung wurde ein Flyer erstellt, welche die Ausstellung vorstellte und den Wunsch der Verfasser enthielt, „eine sachgerechte und sensible Auseinandersetzung mit ihren Werken und den darin aufgegriffenen Themen von Missbrauch, Gewalt, Verlassenheit und Sehnsucht“ anzustoßen.

Später erschien ein journalistischer Artikel, der unter anderem auch das beschriebene Bild zeigte und ausführte, dass die Austellung „16 Gemälde der Künstlerin W. zeige, die den Themen Missbrauch und Gewalt an Kindern gewidmet sind“. Die Eltern des porträtierten Kindes kannten dabei lediglich den Titel der Ausstellung „Märchenbilder“, nicht aber den beschriebenen Kontext.

Daraufhin erklärten die Eltern, dass sie der Künstlerin jede Einwilligung zur öffentlichen Ausstellung des Porträts verweigern werden.

Nach einer Klage vor dem Amtsgericht wurde die Beschwerdeführerin verurteilt, eine öffentliche Verbreitung des Porträts in jeglicher Form zu unterlassen. Nach eingelegter Berufung bestätigte dies auch das Landgericht Halle (4 S 3/16).

Nach erfolgter Abwägung überwiege die nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte persönliche Würde der Porträtierten gegenüber der Kunstfreiheit der Künstlerin.

Der durch die Ausstellung und insbesondere durch die Flyer hergestellte Bezug der Porträtierten zu Themen wie Kindesmissbrauch, berühre in bedeutendem Maße ihre persönliche und familiäre Identität. Das Zeigen des Porträts bei der Ausstellung lege den Schluss nahe, dass die auf dem Porträt Gezeigte selbst Opfer von Kindesmissbrauch gewesen sei.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Darin sah das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrer Kunstfreiheit.

Das umfassende Verbot, ein Gemälde jeglichen Dritten gegenüber öffentlich zu machen oder zu verbreiten, werteten die Richter als besonders einschneidende Beeinträchtigung der Kunstfreiheit der Beschwerdeführerin (Rn. 18).

Zwar sei die Art der Ausstellung durchaus geeignet gewesen, die Porträtierte in die Nähe von Kindesmissbrauch zu rücken und eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu Recht angenommen werden (Rn. 24).

Betreffend der konkreten Ausstellung, die einen Bezug zu Gewalt und Kindesmissbrauch herstelle, sei die Ansicht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin wiege im speziellen Fall schwerer als die Kunstfreiheit der Beschwerdeführerin, nicht zu beanstanden (Rn. 25).

Unbeschränktes Ausstellungsverbot geht zu weit

Das Grundrecht der Kunstfreiheit sei aber jedenfalls dann unverhältnismäßig beschränkt, wenn das Landgericht davon ausgegangen sei, der Künstlerin sei jede Form der Verbreitung und Ausstellung des Kunstwerks zu untersagen. Zwar habe die Klägerin bzw. ihre Eltern, keine Kenntnis von der Ausgestaltung der Ausstellung gehabt, mit einer öffentlich Ausstellung an sich waren sie jedoch einverstanden und gaben ihre Zustimmung.

Das Landgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, ob nicht eine Art der Ausstellung, die besagten Zusammenhang zwischen dem Porträt und dem Thema Kindesmissbrauch nicht herstellt,  die gegeneinander streitenden Grundrechte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Kunstfreiheit in einen fairen Ausgleich zu bringen seien. So habe das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass das zukünftige Zeigen des Bildes in einer nicht mit besagten Themen verküpften Ausstellung eine andere Gewichtung der jeweils betroffenen Grundrechte bedeuten könne (Rn. 30).

Damit hat das Bundesverfassungsgericht klar gemacht, dass im betreffenden Fall ein Verbot ausgereicht hätte, das Porträt im Zusammenhang mit Missbrauch und Gewalt zu zeigen. Ein derart weitreichendes Gebot war nicht geeignet, die Grundrechte der Parteien in einen Ausgleich zu bringen.

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