Rechtliche Grundlagen - ein Fallbeispiel
Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel:
Eine Frau liefert ihren alten Perserteppich bei einem „Varia-Auktionshaus“ (d.h. einem Auktionshaus, das nicht etwa auf die Versteigerung von Teppichen spezialisiert ist, sondern in einer großen Bandbreite aufgestellt ist) ein.
Anhand der Fachliteratur versucht ein Auktionator Herkunft und Alter des Teppichs zu bestimmen und nimmt den Teppich letztlich mit Beschreibung und Abbildung in den Auktionskatalog auf, in dem er seinen Wert auf 900 € schätzt. In der Auktion wird der Teppich für 19.500 € an einen Käufer versteigert und übereignet.
Wenig später übergibt der Käufer den Teppich einem renommierten Auktionshaus in London. Ein auf Teppiche spezialisierter Mitarbeiter erkennt nun aufgrund der Herkunft und weiterer spezieller wertbildender Faktoren den hohen Wert des Teppichs und schätzt diesen in ihrem Katalog auf 250.000 – 350.000 €. Das Londoner Auktionshaus versteigert den Teppich schließlich für 7,2 Mio. €.
In Frage kommt bei derartigen Fällen regelmäßig ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB wegen Verletzung einer sog.„Nebenpflicht“ (Verhaltenspflicht) gegen das Auktionshaus, welches den Experten hinzugezogen hat (dem Auktionshaus ist die Schätzung hinzugezogener Experten gem. § 278 I BGB zuzurechnen). Solche Nebenpflichten i.S.d. § 241 II BGB beziehen sich nicht unmittelbar auf die vertraglich geregelte Leistung, sondern sollen sonstige Interessen des Gläubigers befriedigen.
Unterschätzt ein Auktionator oder sonstiger Experte den Wert eines zu veräußernden Objekts, liegt das freilich nicht im Interesse des Gläubigers, der regelmäßig einen möglichst hohen Gewinn erzielen möchte. Der Auktionator/Experte könnte hierbei seine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Gläubiger durch Fahrlässigkeit beim Schätzen des Objektes verletzt haben, was dann ggf. einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers begründen würde.
- Um die Frage nach einem Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB zu beantworten, gilt es also zu klären, welcher Maßstab der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ zugrunde liegt.
Die Sorgfaltspflicht eines Kaufmanns
Die Sorgfaltspflichten eines Kaufmanns (an ein Auktionshaus sind gem. § 6 I HGB iVm § 13 III GmbHG die Anforderungen an einen „Scheinkaufmann“ zu stellen) sind branchenmäßig zu bestimmen. Es muss die Frage gestellt werden, welches Verhalten von einem ordentlichen Kaufmann in genau dieser Branche unter diesen Umständen zu erwarten wäre.
Was kann man von einem Auktionator eigentlich erwarten? Grundsätzlich kann von einem Auktionator eine gewisse Sachkunde erwartet werden, die grobe Fehleinschätzungen nicht zulassen sollte. Hierbei gilt es allerdings auch die Art des Auktionshauses sowie etwaige Spezialisierungen des Experten zu berücksichtigen.
Von einem Auktionator der, wie im oben geschilderten Fall, für ein „Varia-Auktionshaus“ arbeitet und somit Objekte aller Art einschätzen muss, muss weniger Sachkunde erwartet werden, als beispielsweise von einem auf Teppiche spezialisierten Experten.
Von Ersterem kann man erwarten, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten alles Erforderliche tut, um z.B. Alter und Herkunft des Teppichs zu bestimmen und somit einen adäquaten Wert zu ermitteln. Es kann ihm jedoch nicht zugemutet werden, sich für jedes Objekt unter großem Aufwand weitgehende Fachliteratur anschauen zu müssen, um gegebenenfalls ein besonders „außergewöhnliches“ und wertvolles Stück identifizieren zu können.